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Relief | Untiefe 3 | 2009

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Kahnweiler-Preis 2015 - Wettbewerbsbeitrag: Norvin Leineweber

Rauminstallation:Norvin Leineweber: Undurchsichtige Zustände des rein Durchsichtigen, 2013 (©Norvin Leineweber)





Undurchsichtige Zustände des rein Durchsichtigen,
2013                                
Holz, Wabenpappe, Styropor, Aluminium, Nessel
Marmorputz
240 × 300 × 180 cm
Ausstellungsansicht: gkg Bonn, 2013






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Mit meiner Installation Undurchsichtige Zustände des rein Durchsichtigen reflektiere und resümiere ich rund 20 Jahre künstlerischen Schaffens.

Als Bildhauer und Grafiker beschäftige ich mich mit den Grundlagen der Wahrnehmung und Darstellung von Raum.  Meinen Ausgangspunkt stellt eine phänomenologische Analyse von Raumanschauungen dar. Die Unterscheidung von der Natur und Kultur des Sehens führt mich zu Deutungen des Räumlichen in Form von Zeichnungen, Reliefs und Objekten. Diese verstehe ich als Konkretionen der Raumwahrnehmung, in denen nicht die virtuelle Rekonstruktion objektiv gegebener Daten, sondern das Erleben und Konstituieren von Wirklichkeit zur Darstellung gelangen.

Ausgangspunkt meiner visuellen Untersuchungen ist immer wieder die Linearperspektive gewesen. Sie ist gleichzeitig Wahrnehmungsmodell und Darstellungstechnik, sie ist kognitives Muster sowie kulturgeschichtliches Erbe und mit ihr lassen sich technische Details ebenso wie philosophische Raumanschauungen illustrieren. Die perspektivische Struktur trägt die Beziehung von Raum und Betrachter in sich. Und es lassen sich mit ihr unser Bild von Wirklichkeit und unsere Beziehung zur Welt, unsere Wahrnehmung und unser Bewusstsein, die Erfassung der näheren Umgebung sowie die Erfahrung des Unendlichen thematisieren.

Meine Installation setzt sich aus vier Elementen zusammen:
1.       einem perspektivischem Bodengitter
2.       einem Raumcontainer,
3.       einer globusartigen 360° Perspektive
4.       und dem Relief einer Raumecke

Das perspektivische Bodengitter folgt einer Zweifluchtpunktperspektive. Die beiden Fluchtpunkte stecken den horizontalen Rahmen der Installation ab und bestimmen den Abstand zur Wand. Einem überdimensionierten Topfuntersetzter gleich, visualisiert es die Standortabhängigkeit der Wahrnehmung und die Veränderlichkeit des visuellen Zugangs zum Raum. Durch die radikale Verkürzung der Linearperspektive und deren virtuellen Horizont an der Wand wird zudem die Paradoxie perspektivischer Unendlichkeit sinnbildlich.

Diese Paradoxie wiederholt sich im Raumcontainer. Das Raumvolumen wird durch horizontale Fugen perspektivisch geteilt, deren Ebenenhorizont die Oberseite des Körpers beschreibt. Im Gegensatz zum raumöffnenden Bodengitter haben wir es hier mit einem abgegrenzten Schachtelraum zu tun. Er gleicht einem Archiv- oder Grafikschrank. Wobei das obenliegende Quadratraster mit jedem weiteren Schritt engmaschiger würde. Auch hier lässt sich die Lücke nur virtuell schließen. 

Auf dem Raumcontainer liegt eine 360° Perspektive mit sechs Fluchtpunkten. Dargestellt ist ein visuell kaum entwirrbares quadratisches Stelenfeld. Der Auflagepunkt markiert den Betrachterstandpunkt und der Äquator den Horizont. Das Allover der Darstellung ist zwar von einem konkreten Raumpunkt aus plausibel, es bringt aber den Betrachter selbst zum Verschwinden. Es ist die Inversion unseres Gesichtsfeldes. Wir schauen von außen auf unseren Blick von Innen. Für die gesamte Installation stellt die Kugel gewissermaßen den ›instabilen Ruhepol‹ dar.

An der Wand schließlich lehnt das Relief einer Raumecke, deren Vertikale sich zum Boden hin auflöst. Durch das Relief wird die Installation endgültig zum Interieur. Die Vertikale befindet sich konstruktiv genau zwischen den beiden Fluchtpunkten des Bodengitters und doch wirkt das Relief wie aus der Mitte gerückt. Seine Räumlichkeit verdankt es mehr seiner visuellen Struktur als seiner Konstruktion und es fasst die drei Dimensionen des Raums zu einem Punkt zusammen. Durch diese Raumsetzung erfahren die disparaten Elemente der Installation am Ende doch noch eine gewisse visuelle Einheit.

Der Titel der Installation ist Goethes Farbenlehre entlehnt. Mit dem Ausdruck Undurchsichtige Zustände des rein Durchsichtigen beschreibt Goethe seine Beobachtung, dass durchsichtige Substanzen wie Wasser, Salz und Glas in manchen Zuständen weiß erscheinen, wodurch das „rein Durchsichtige“ opak und damit sichtbar wird. Auch in meinen Arbeiten hat die Farbe Weiß eine zentrale Bedeutung. Dennoch ging es mir darum, Goethes Beobachtung auf den Raum zu übertragen. Der Raum als das »rein Durchsichtige«, das in seinen Konkretionen sichtbar oder – in Goethes Terminologie – »undurchsichtig« wird. Darüber hinaus spiele ich damit noch auf die Widersprüchlichkeit und die Paradoxien der verschiedenen Raummodelle und Weisen der Raumerschließung an.

Norvin Leineweber, Oktober 2015








Bild
Kahnweiler-Preisträger 2015

Das Votum der Jury fiel auf Kai Richter aus Düsseldorf. Der Preisträger konnte mit seinen variantenreichen, plastischen Konzepten überzeugen. Richter geht auf Räume ein und eckt an, wie es Jurymitglied Fath beschreibt. Kai Richter ist 1969 in München geboren, Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Anglistik sowie Studium der Freien Kunst, Kunstakademie Münster und Düsseldorf. Meisterschüler bei Hubert Kiecol.

Weiterhin sind
Jonas Hohnke (Wuppertal), Franz Julien (Ludwigshafen), Siegfried Kreitner (München), Norvin Leineweber (Aachen), Georg Lutz (Stuttgart), Rainer Selg (Waghäusel), Johannes Vogl (Berlin), Nicola André Wagner (Darmstadt), Romin Walter (Berlin), Helga Weihs (Köln), Anja Wiebelt (Karlsbad), Stephan Wiesen (Mainz)
in der Ausstellung vertreten, d.h. insgesamt 13 Künstler und Künstlerinnen präsentieren aus den Bereichen Bildhauerei / Plastiken / Installationen 16 Exponate.

Die Preisverleihung und Ausstellungseröffnung wird am 28. November, 11 Uhr durch den Vorsitzenden der Kahnweiler-Gedenkstiftung, Herrn Stadtbürgermeister Karl-Heinz Seebald erfolgen. Die Ausstellung wird im Museum Pachen in Rockenhausen bis einschließlich
03. Januar 2016 zu sehen sein.

Der Preis dient der Künstlerförderung und erinnert zugleich an den 1884 in Mannheim geborenen Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler, dessen Vorfahren aus Rockenhausen stammten und dessen Elternhaus dort steht. Kahnweiler gründete 1907 seine erste Galerie in Paris; er förderte die Maler Pablo Picasso, Georges Braque, Juan Gris und Fernand Leger sowie die Bildhauer Manolo und Henri Laurens. Der Mäzen wird als "Geburtshelfer des Kubismus'' bezeichnet. Am 15. Februar 1970 wurde Kahnweiler aus Anlass seines 85. Geburtstages als "international berühmter Freund und Förderer genialer Künstler und verdienstvoller Vermittler zwischen deutscher und französischer Kultur'' zum Ehrenbürger von Rockenhausen ernannt. Kahnweiler, der 1979 in Paris starb, vermachte der Stadt seine gesamte deutschsprachige Bibliothek.

Der Preis wird im Wechsel für Malerei und für Bildhauerei/Plastiken/Installationen von der Kahnweiler-Gedenkstiftung ausgeschrieben. Zusätzlich können auch Förderpreise vergeben werden.













































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